Neue Freunde, schnelles Handeln
Oruro. Käme bei einer Reise niemals auf meine Liste. Außer dieses Mal.
Der Karneval lockt mich. Wie immer buchen wir die Unterkunft einen Tag vor Abreise. Haha.
Wir durchforsten Buchungsplattformen. Und finden ein freies Zimmer – mit 5 von 10 Sternen. Puh.
Endlich entdeckt mein Freund ein Airbnb. Puh.
Schaut echt schön aus. Ist noch für 3 Nächte frei. Und kostet ein Vermögen – auch für mitteleuropäische Zimmerpreise. Mein Wunsch nach Fasching siegt. Wir buchen.
Sharing Economy im Tourismus – ein Trend, auf den alle aufspringen? Jein. Noch ist es eine Nische in der Wirtschaft. Teilen und Dinge gemeinsam nutzen liegt (noch) nicht allen Menschen – hat allerdings Potenzial für nachhaltigen Tourismus.
Schenk mir 9 Minuten deiner Zeit und du erfährst, wie Sharing Economy im Tourismus dich bereichert.
- Wie du mit Sharing Economy Geld sparst
- Warum du damit Gutes für die Umwelt tust
- Wie du tief eintauchst und neue Freunde gewinnst
Wie Sharing Economy in die Wirtschaft einzieht
Teilen, leihen, mieten. Schenken und Dienstleistungen vermitteln – für Privatpersonen und Firmen. Ursprünglich agiert die Sharing Economy sozial und unentgeltlich. Und jetzt?
Mehr Anbieter kämpfen um unsere Aufmerksamkeit – um ihre Kohle.
Grundsätzlich ist diese Form von Wirtschaft alt bewährt:
- Bibliotheken
- Genossenschaften
- Autovermietungen
- Skiverleih
- Nachbarschaftshilfe
Mit 3 Klicks am Smartphone rufst du dir ein Taxi – auf der ganzen Welt. Das ist das Neue an Sharing Economy:
Die Plattformen sind mit einer Hand bedienbar – die technischen Möglichkeiten und die easy Zahlungsmöglichkeiten befeuern diese Art des Wirtschaftens. Das Beste:
Alle User können sowohl vermieten und verleihen als auch mieten und leihen.
2 Gründe, warum sich jüngere Menschen schneller auf solche Plattformen einlassen:
- Sie sind digital natives.
- Sie erkennen, dass jeder seinen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft leisten MUSS.
Synonyme für Sharing Economy sind Shared Economy und Share Economy. Auf Deutsch klingt das nicht so sexy: “Wirtschaft des Teilens“. Der gemeinsame Nutzen findet den Weg in den Mittelpunkt.

So schont Sharing Economy dein Geldbörserl
Hinterfragst du deinen Konsum kritisch? Klimbim verschlingt Platz in der Wohnung? Deine Brieftasche jault manchmal laut stopp?
Dann gehörst du zu den Menschen, die Sharing Economy befürworten – und vor allem beschleunigen.
Die Bohrmaschine raubt viel Platz, kostet ein Vermögen. Sie ist wie lange pro Jahr im Einsatz?
4 Minuten vielleicht?
Wenn du sie ausleihst, zahlst du einen Mini-Betrag. Ebenso für Bücher, Spiele, Autofahrten… Sei ehrlich mit dir:
Schreib deine Kosten für beispielsweise dein Auto auf. Alles: Reifen, Versicherungen, Tank. Und Werkstatt. Wie oft könntest du dir dafür eine Uber-Fahrt gönnen?
Oder umgekehrt: Du kaufst dir eine Bohrmaschine und verleihst sie für einen Betrag. Die Kosten gleichen sich schnell aus.
Ziele von Personen, die Sharing Economy für gut heißen, sind:
- Den Ressourcenverbrauch senken.
- Die bestehenden Kapazitäten besser auslasten.
- Mehr Kontakte und besserer Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Oruro ist abgefu..t. In unserem Stadtteil sind Straßen nicht geteert, Hausfassaden bröckeln. Streunende Hunde bellen. In der Ferne quietschen Reifen. Ein mulmiges Gefühl fließt vom Bauch aufwärts. Ranzig klatscht es auf die Nase. Endlich finden wir das Haus. Außen Rohbau. Innen überrascht es.
Tipitopi eingerichtet. Feinster Marmor. Riesige Räume. Ein Unternehmerpaar empfängt uns herzlich, bietet ein Getränk an, führt uns durch ihr Reich – und zeigt uns die Lebensmittel, die auf uns warten.
Sie verschwinden. Haben wir jetzt das Haus für uns allein?
Ja.
Und dürfen wir ihre Lebensmittel verkochen?
Ja.
Machen wir natürlich nicht. Wir richten uns ein Frühstück und gehen am Abend essen.
Sharing Angebote findest du wie Muscheln im Meer
Alles, was durch dein Gehirn schlendert, kannst du teilen, verleihen, vermieten oder gemeinsam nutzen. Oder mieten und leihen:
- Autos (z. B. BlaBlaCar)
- Private Parkplätze
- E-Scooter (z. B. Tier)
- Räder (z. B. Nextbike)
- Gästezimmer und Ferienwohnungen (z. B. Airbnb)
- Schlafmöglichkeiten (z. B. Couchsurfing)
- Gärten & Parks (z. B. Mundraub oder anstiftung)
- Lebensmittel (z. B. Foodsharing)
- Spielzeug
- Schmuck
- Werkzeug
- Haushalts– und Gartengeräte
- Nachbarschaftshilfe (z. B. Nebenan)
- Kleidung (z. B. Vinted)
- Büroräume (z. B. Co-Working Spaces)
- Bücher (z. B. in Telefonzellen)
- Abos (z. B. Netflix)
- Crowdfunding
- Informationen (z. B. Reiseberichte im Internet)
- Reparaturcafés
- Marktplatz für alles (z. B. Willhaben)
Sharing Economy Plattformen sprießen schneller aus dem Boden wie Bambus. Die gute alter Nachbarschaft bietet (zumindest bei uns am Land) noch viel mehr.
Der zweite Abend in Oruro. Es bimmelt an der Tür. Ja?
Der Vermieter fragt uns, ob er uns zum Wahrzeichen entführen darf. Puh.
Was wir am Tag erlebten, reicht. Ich will diese Stadt nicht in der Nacht entdecken. Zumal ALLE nach dem Festumzug betrunken in den Gassen lauern.
Er überzeugt uns. Wenige Minuten später sitzen wir gemeinsam mit dem Vermieter und seinem Vater in einem Auto. Vorsichtig verschließe ich die Hintertür.
Ein paar lausige Lampen leuchten den Weg. Knatternde Karren kämpfen bergwärts. Rumpelig wie mein Gefühl ist auch die Straße. Doch da:
Sie erstrahlt vor uns: Die Virgen del Socavón. Der Ausblick auf die (hässliche) Stadt ist atemberaubend. Lichter funkeln.
Mein Gefühl bekommt nicht Recht. Es ist wunderschön.
Geschichte & Kritik
Tausende Arbeitslose, Immobilienblase, steigende Inflation. Die Wirtschaftskrise 2007 in den USA setzt den Grundstein für die Teilen-Dynamik. Zusätzliche Einkommensquellen und Sparmöglichkeiten beflügeln die Ideen.
Eine Win-Win-Situation blüht auf: Mehr Einnahmen für Bereitsteller und weniger Ausgaben für die Nutzer. Die moderne Sharing Economy ist geboren. Zuerst hauptsächlich positiv:
- Sozial
- Umweltschonend
- Nachhaltiger Lebensstil
Heute fühlen sich vor allem renommierte Unternehmen auf die Krawatte getreten. Sie kritisieren:
- Die miesen Arbeitsbedingungen der “Angestellten“
- Nicht vorhandene Auflagen
- Schleißigen Umgang mit Datenschutz
- Steuerrechtliche Probleme
- Wohnungsverknappung
Zahltag in Oruro. Ein Whats App später stehen wir im Nachbarhaus – beim Vater. Dort sind die beiden Vermieter in den 3 Nächten untergekommen.
Wieder eine Auswahl an Getränken, Essen lehnen wir ab.
Ja. Ihr habt gut lachen. Der Betrag für die 3 Nächte sind mehr als ein durchschnittliches bolivianisches Monatseinkommen.
Keine Spur von Ausbeutung der Anbieter. Wunderbare Wohnung.
Vorteile von Sharing Economy
„Sharing is caring” – das genießt du als Nutzer der Sharing Economy Plattformen:
- Zugriff immer und überall: Du bedienst die Plattformen mit 2 Fingern auf deinem Smartphone.
- Günstigere Preise: Du gönnst deinem Krötensack ein Päuschen.
- Umweltschutz: Du sparst Ressourcen. Die Umwelt dankt!
- Weitere Einkommensquellen: Du schenkst deinen Kröten Zuwachs.
- Neue Geschäftsmodelle: Du tüftelst an einer Idee? Die Wirtschaft steht dir offen!
- Daten: Du feierst deine Anzeigen, die wie der Finger aufs Smartphone passen.
- Mehr Angebot: Du bedienst dich in einem Basar.
- Mehr Flexibilität: Du leihst, wann du willst.
Nachteile von Sharing Economy
Du ahnst es oder? Überall wo Sonne scheint, fällt Schatten:
- Privatsphäre leidet: Du wirst durchsichtig wie eine Balkontür aus Glas.
- Fehlende Gewährleistung: Du machst Geschäfte mit den Sharing Economy Plattformen. Sie garantieren nicht für Qualität.
- Keine Dienstverhältnisse: Du wohnst, leihst, mietest bei Selbstständigen. Die Apps beschäftigen keine Anbieter – sie genießen keine Regeln für Mindestlöhne oder keinen Schutz gegen Kündigungen.
- Sicherheit und Hygienestandards: Du kaufst die Katze im Sack.
- Weniger Konsum: Du förderst das Nicht-Produzieren von Gütern. (Hm. Ist das tatsächlich schlecht?)
- Eigentum behält den Wert: Du kaufst bei Leuten, die besitzen.
Ist Sharing Economy nachhaltig?
Die Frage aller Fragen. Noch wissen wir es nicht.
Nutzen Uber-Kunden anstatt von Bus und Bahn eine Uberfahrt?
Haben sie kein Auto mehr?
Fliegen Airbnb-Gäste öfter in den Urlaub, weil die Unterkunft billiger ist?
Kaufen Konsumenten mehr, da sie sich Geld durch andere Sharing-Produkte ersparen?
Grundsätzlich beantworte ich diese Frage mit einem klaren Ja:
Ökonomisch => Geld sparen
Ökologisch => Ressourcen sparen
Sozial => das Miteinander stärken
Sharing Economy im Tourismus
Kritiker ziehen Reisen in Sachen Klimawandel, Umweltschutz und soziale Ausbeutung durch den Kakao. Verstärkt Sharing Economy im Tourismus den Effekt? Steigt der Druck auf den Tourismus? Stehen klassische Urlaube in der Ecke?
Oruro’s Gastronomie kitzelt meine Geschmacksnerven nicht. Komischer Fraß. Essen, um unseren Hunger zu stillen. Von kribbelnden Glücksgefühlen keine Spur – obwohl wir sowohl in Google Maps als auch bei Tripadvisor die besten Restaurants raussuchen.
Hätten wir lieber das Angebot von den Vermietern angenommen und uns im Appartement Leckeres gezaubert. Was lernen wir daraus?
Freundliche Einladungen dürfen wir dankend annehmen.
So fühlen sich Touristiker von Sharing Economy im Tourismus auf den Schlips getreten
Schnelle Technik, die du im Stress mit wenigen Klicks bedienst, und der Kontakt zu Einheimischen sind die Treiber von Sharing Economy im Tourismus.
Uber entdecken wir in Arequipa. Wir wohnen in einem Airbnb (ah auch hier Sharing Economy im Tourismus) – in einem Studentenheim weit vom Busbahnhof entfernt. Unsere Vermieterin erzählt uns von den Vorteilen dieses „Taxiunternehmens“. Das W-Lan pfeift. Unser Spanisch am Telefon kränkelt.
App installiert. 10 Minuten später kutschiert uns ein freundlicher Mann quer durch die Stadt. Preis bleibt wie vorher dargestellt. Easy going.
Hoteliers, Taxiunternehmen und Gemeinden kritisieren Sharing Economy im Tourismus. Illegale Wohnungen sprießen aus dem Boden. Ähm. Die Plattform ist nicht Schuld daran, ob Ferienwohnungen gemeldet sind oder nicht. Ob Gäste angemeldet sind oder nicht. Funktioniert ebenso bei Gästen, die via Telefon und E-Mail buchen.
Ins Kreuzfeuer geraten die miserablen Bedingungen der „Angestellten“. Wie lange behandelten Hotels so ihre Angestellten? Logierten diese zu fünft in einem Kellerzimmer – ohne Fenster? Nicht nur in Entwicklungsländern.
Ich stehe für gerechte Arbeitsbedingungen, faire Löhne und korrekte Steuerzahlungen. Buchungsoberflächen, die du mit 2 Fingern bedienst, sind die Gründe, warum der Tourismus unter Druck gerät.
Wann hast du das letzte Mal mit dem Smartphone ein Taxi online bestellt? Ist verzweifle daran. Nach wirrem Tippen greif ich zum Telefon. Schwierig, wenn die Landessprache für dich wie Bahnhof klingt.

Technik und DU-Gemeinschaft
Technik ist das eine. Die sozialen Aspekte des Reisens sind der andere Part von Sharing Economy im Tourismus. Airbnbler und Couchsurfer trachten nach interkulturellem Austausch. Nach Insidertipps.
Sie tauschen sich direkt mit Einheimischen aus – wollen den Urlaubsort aus Sicht der Bewohner kennen lernen. Sie verabscheuen unpersönlichen Schnickschnack in manchen Hotels. Dich tief in diese Thematik einarbeiten kannst du dich im Artikel von Kagermeier et al.
In meiner Heimat leben die allermeisten Unterkünfte Herzlichkeit. Begrüßen Einheimische dich als Gast, geben dir Tipps in der Umgebung. Der Chef empfängt dich mit einem Handschlag – du fühlst dich sofort zuhause. Auch in großen Hotels.
In vielen Städten und anderen Ländern vermissen Gäste diese Gastlichkeit: Check-In-Automaten überreichen dir den Schlüssel, die Zimmermappe informiert über das Hotel, das Frühstück wartet ohne Personal. Die „Du“-Gemeinschaft verschwindet.
Technik und ein paar nette Worte Einheimischer. Das sollte für den klassischen Tourismus möglich sein oder?
Herkömmliche Anbieter können sich ein Scheibchen von der „neuen“ Wirtschaft abschauen. Damit holen sie den Spirit der Sharing Economy in den traditionellen Tourismus.
Sharing Economy im Tourismus hat 2 Gesichter
Du schonst dein Geldbörserl, entlastet die Umwelt und gewinnst Freunde. Steht im Gegensatz zu:
Ungerechten Arbeitsbedingungen, zum Teil nicht vorhandene Steuermoral und Löhne, die trotz harter Arbeit Mitte des Monats aus sind.
Liebe Politik, es besteht Handlungsbedarf:
Gesetze, Regelungen und Vorschriften – damit beide Formen des Wirtschaftens Platz finden. Damit beide den Zuckerguss des anderen für sich verbessern. Damit sich das Angebot entwickelt.
Bei unfairen Tricks der Anbieter dürfen sich herkömmliche Touristiker wehren. Ist das Geschäftsmodell besser als bei traditionellen Unternehmen, verdient die Form des Wirtschaftens eine Chance. Renommierte Firmen:
Es ist Zeit eure Fühler auszufahren. Die Welt freut sich über Gedankenzuckerwatte.
Nutzt du Sharing Economy im Tourismus? Verrate es mir gerne in den Kommentaren.
PS: Der Karneval in Oruro ist ein Wahnsinn. Ohne Frage. Die bunten Tänze der Bolivianerinnen, der Umzug, die jubelnde Menschen. Die Stadt, das Essen und die Betrunkenen hinterließen bei mir ihre Spuren.
PPS: Versuche niemals an einem Faschingsdienstag aus Oruro auszureisen. Es funktioniert nicht. Der immense Busbahnhof ist eine Geisterstadt. Die wenigen Taxis ausgebucht. Die Stadt schließt – es gibt nichts zu essen. Besser du reist am Rosenmontag ab oder kaufst dir vorab Lebensmittel. Nachdem wir den ganzen Tag versuchten, aus der Stadt zu kommen, buchten wir in der Nähe vom Busbahnhof ein Zimmer. Eklig. Nach vielen Stunden Suche fanden wir eine Imbiss-Bude, die Hähnchen hatte. Seither rebellieren mein Hirn, mein Magen und meine Verdauung, wenn ich Geflügel sehe.
Hi Barbara,
spannendes Thema. Was ist die Sharing-Economy-Plattform bzw. die Möglichkeit, die du am meisten nutzt?
LG,
David
Hi David,
ich nutze gerne Airbnb. Ansonsten ist es bei uns am Land oftmal (noch) leichter, wenn man die Nachbarn oder die Familie direkt fragt und sich dann etwas ausleiht oder tauscht, da die Community auf den Plattformen zum Teil (noch) sehr klein ist.
Wenn es ein Angebot für selbstfahrende Autos gibt, bin ich die erste, die das nutzen wird 🙂
LG Barbara