Warum Klimbim für die Ramsch-Schublade die 3 Säulen der Nachhaltigkeit verletzt

Kitsch ist Kunst für die Masse

Kitsch und Kultur hinterlassen ihre Spur: Glitzernder Schei* made in China wandert in die Souvenir-Läden. In deinen Koffer. Und in deine Ramsch-Schublade. Rare Kunstwerke aus den Urlaubsländern versauern dort. Mit nachhaltigem Tourismus hat die Mitbringsel-Industrie nichts am Hut.

Schenk mir 6 Minuten deiner Zeit und du erfährst in diesem Artikel, wie du auf Reisen nachhaltige Souvenirs kaufst:

  • Wie du damit die lokale Bevölkerung unterstützt
  • Warum es dir deine Ramsch-Schublade dankt
  • Was du gegen die Plastikflut machen kannst

Kitsch oder Kultur?

La Paz. Es kribbelt in meinen Fingern. Heute steht der Hexenmarkt am Programm. Viel hab ich darüber gelesen: Hier kaufen Einheimische, Schamanen und Kräuterhexen.

Zauberkräuter, Coca Blätter, Lamaflöten – gegen jedes Wehwehchen sollten wir hier ein Utensil finden.

Die Grenzen zwischen Kitsch und Kultur verschwimmen. Für dich bedeuten die beiden Begriffe etwas anderes als für mich.

In jedem Bereich der Kunst mischt sich Kitsch:

  • Literatur
  • Musik
  • Theater
  • Film
  • Malerei
  • Architektur
  • Design
  • Kunstwerke

Im Gegensatz zu Kultur lässt Kitsch keine Interpretationen zu und ist leicht reproduzierbar. Kunst ist neuwertig und originell. Kitsch ist Kunst für die Masse.

Massenware für Massentourismus.

Manche sehen Kitsch als „falsch“:

  • Er besteht aus falschem Material.
  • Er ist am falschen Ort.
  • Er ist in der falschen Zeit.
  • Er vermittelt falsche Gefühle.
  • Er täuscht etwas vor, das er selbst nicht ist.

Traditionen verschmelzen mit Kitsch – nicht nur die Kunst als Teil der Kultur, auch Brauchtum und Althergebrachtes. Traditionelle Dirndlkleider funkeln mit Schnickschnack, Trachten verwandeln sich in kitschige Puppen oder Bräuche blähen sich für Touristen auf.

Grafik: Wahllos gekaufte Souvenirs beeinflussen alle 3 Säulen der Nachhaltigkeit

Das sagen die Experten

forum anders reisen nimmt dich auf Instagram und ihrer Webseite mit auf umweltfreundliches und faires Reisen. Sie sind ein Verband und freuen sich, wenn du dich ihnen anschließt. Hier verrät dir Felizitas CLEMENS ihr Geheimnis Nr. 1, um auf Reisen nicht in die „Kitsch-Falle“ zu tappen.

Nachhaltig buchen

Der forum anders reisen Tipp: buche deine Reise mit einem nachhaltigen Reiseveranstalter und nutze dazu den Reisefinder unseres Internetportals.

Unsere Mitglieder achten bei der Entwicklung ihrer Reisen insbesondere auf die soziale Nachhaltigkeit und damit auf die Wahrung der Menschenrechte von allen Akteuren im Tourismus. Bei der Auswahl der Kulturerlebnisse im Reiseland wird auf Authentizität und Fairness gegenüber der lokalen Bevölkerung gesetzt, sodass man nicht Gefahr läuft auf Reisen in die „Kitsch-Falle“ zu tappen.

Statt die lokale Kultur zu kommerzialisieren und an westliche Standards anzupassen, werden lokale Bräuche und Gepflogenheiten gefördert, was zur Bewahrung von immateriellem Kulturerbe sowie zur interkulturellen Verständigung beiträgt. 
forum anders reisen | Felizitas CLEMENS

So versprüht dein Gartenzwerg Kitsch anstatt Kultur

Welcher kitschige Klimbim fällt dir zuhause ein?

Mir spontan der Gartenzwerg.Einmal auf einer richtigen Feier für Einheimische tanzen

Wie wirkt dieser auf Gäste in Österreich, noch viel ärger in Deutschland?

Kleine Handwerker im Erdbeerbeet. Stinkefinger-zeigende Punks zwischen goldgelben Sonnenblumen. Bier-Trinker unterm Apfelbaum.

Manchmal furchterregend. Manchmal zuckersüß. Meistens zu kitschig.

Einmal auf einer richtigen Feier für Einheimische tanzen

Orientieren fällt uns in La Paz wahnsinnig schwer. Mehr als 1.000 Höhenmeter überwindet die Stadt – dementsprechend verwinkelte Gassen, Treppen und Straßen. Wir irren in die nächste Straße. Laut Karte müsste der Hexenmarkt hier sein. Ist er aber nicht.

Ein Straßenschild versteckt sich hinter einem Strommasten. Ah. Doch noch 2 Querstraßen weiter. Wir schleppen uns dorthin – die dünne Luft auf über 3.700 m macht aus unserem sonst sehr flotten Schritt Mäuseschritte.

Es ist wie verhext. Der Hexenmarkt befindet nicht in der zweiten Querstraße. Das Straßenschild verrät uns etwas anderes. Fast schon aufgegeben, entdeckt mein Freund eine Treppe. Endlich.

Der Hexenmarkt.

Enttäuscht steh in der Gasse.

Hast du dich einmal gefragt, wie ein Fest im Urlaubsland wirklich abläuft? Also, wo Einheimische feiern?

Sicher weißt du das aus deiner Heimat. Meistens nur eine Show.

Die richtigen Feste pfeifen anders.

Dennoch lassen sich Gäste bei Heimatabenden im Gebirge mit volkstümlichen Klängen unterhalten – im Süden tanzen sie bei einem Samba-Abend oder einer Tango-Nacht. Tauchen ganz tief in die Kultur ein – und planschen nur an der Oberfläche.

Fühlen sich als Einheimischer auf Zeit. Unterhalten sich. Tradition? Kitsch? Egal.

Massentouristen verlangen Kitsch

Der Hexenmarkt in La Paz ist ein Markt, wie viele andere in dieser Stadt auch: feine Alpakahandschuhe, kunterbunte Ponchos, Kuscheltiere. Wo sind die abgezogenen Lamaköpfe? Die geheimen Pulver? Coca-Tee Partys?

Grundsätzlich liebe ich Märkte. Dieses Mal kroch der Reinfall in mich. Viele Reiseberichte schrieben über die großartige Erfahrung am Hexenmarkt. Wart ihr jemals dort? Warum berichtet ihr von Zauberzeug? Habt ihr von den Kollegen abgeschrieben?  

Ursprünglich verzauberte in dieser Gasse der Hexenmarkt. Was war geschehen?

Eigens für sie produziert, decken sich viele Massentouristen mit scheußlichem Zeug ein. Die glitzernde Winke-Katze.

Mehr Reisende verlangen mehr Andenken. Heimische Künstler und Kunsthandwerkerinnen produzieren weniger als die Nachfrage. Die Preise für „echte“ Kunst überschreiten den Geldbeutel der Touristen.

Es schreit nach einer Massenproduktion – die Geburtsstunde von Kitsch für den Tourismus.

Ramsch ist billig – Touristen kaufen wahllos.

Schlendere gedanklich durch die Fußgängerzone in deinem Urlaubsland. Siehst du die winkenden Chinesen-Katzen? Sie sind da.

Ganz egal, wo du dich auf der Welt befindest.

Wie du mit nachhaltigen Souvenirs dich und Einheimische beschenkst

Touristen strömten den Zaubermarkt. Schamanen, Kräuterhexen und Einheimische wurde das zu bunt. Die Menschenmassen zerstörten den Flair – der Markt suchte sich einen neuen Ort. Irgendwo in El Alto.

Diese Stadt grenzt direkt an La Paz – bis 1985 war es ein Stadtteil davon. Die Menschen, die dort wohnen, sind ärmer als in La Paz. Die Kriminalität hoch. Dennoch googeln wir.

Finden den richtigen Hexenmarkt allerdings nicht. Vielleicht besser so. Da kommen Touristen wohl nur noch mit Einheimischen hin. Die angebotene Ware braucht ein normaler Reisender nicht. Wir haben eh Kopfwehtabletten, Verbandszeug und eine Kochsalzlösung im Gepäck.

Mit Heilsteinen, mystischen Klängen und abgezogenen Lamaköpfen wären wir überfordert.

Die Trennung zwischen „Einheimischenmarkt“ und „Touristenmarkt“ ist für alle am besten. Obwohl die Neugierde noch kitzelt.

Du ahnst es bereits oder?

Wenn du (zu) kitschigen Krempel im Urlaub kaufst, leidet das heimische Kunsthandwerk. Mit Billigware aus dem Ausland verdienen die Einheimischen eine kleine Marge. Vergessen ihr Handwerk.

Müllberge entstehen. Die Ware schippert durch die halbe Welt.

Plastikkrempel verletzt Nachhaltigkeit – in allen 3 Säulen.

Gibt es nachhaltige Geschenke aus dem Urlaub?

Weckt das Mitbringsel positive Gefühle in dir? Erinnert es dich an die Urlaubszeit? Brauchst du den Gegenstand zuhause?

Möglich sind etwa handbemaltes Geschirr oder ein Gemälde, das deine Wände verzaubert. Dann beschenkst du dich – und die Einheimischen verdienen ihren fairen Lohn. Es bringt niemanden etwas, wenn Plastik-Klimbim in deiner Ramsch-Schublade verstaubt.

Die Händler wissen, von wo ihre Kunst (oder ihr Kitsch) kommt. Frag sie, ob es sich bei diesem Stück um lokales Handwerk handelt.

Du versinkst in ihrer Kultur, tauchst in ein Gespräch und schenkst dir und den Gastgebern Interesse.

Tiere, Pflanzen und Teile von Ökosystemen sind tabu.

Anhänger aus Tigerzähnen, Pflanzen und Schnitzereien aus Walknochen – das alles, bleibt, wo es ist.

Beamte ziehen illegale Souvenirs wie lebende Tiere, Ketten aus Elfenbein oder die schärfsten Chilis aus Indien aus dem Verkehr. Kann sein, dass nicht nur die Mitbringsel die nächste Zeit durch Gitter sehen…

Gerüche zaubern ratzfatz dein Urlaubsgefühl. Die Lösung:

Lokale Köstlichkeiten nachhause mitnehmen. Tanzen deinen Geschmacksknospen auch, wenn du an

  • zartschmelzende Schokolade aus der Schweiz,
  • knackiges Gingerbread aus Schottland,
  • mild-fruchtiges Olivenöl aus Griechenland,
  • würzig-scharfen Senf aus Frankreich oder
  • einen in die Jahre gekommenen Parmesan aus Italien denkst?

Handgefertigte Töpferware, Schmuckstücke aus Glas oder Steinen, Flechtarbeiten wie Körbe – die Welt der nachhaltigen Souvenirs ist so reich wie die Wahl an Urlaubsländern. Alternativ:

Erinnerungen auf Fotos festhalten.

Mit echter Kultur anstatt Kitsch gewinnen die Einheimischen und du

In Massen produzierter Krempel voller Kitsch findest du in jeder Urlaubsdestination. Traditionen, Althergebrachtes und Kultur versacken im Boden.

Etwas aus dem Urlaub mitzubringen, nur damit du etwas mitbringst, ist nicht Sinn und Zweck. Je größer die Nachfrage nach Ramsch, desto mehr wandert in die Auslage.

Setzt du auf „echte“ Souvenirs, verdienen die Einheimischen ihre Marge. Sie beflügeln das heimische Handwerk – der soziale Zusammenhalt steigt. Zudem produzierst du weniger Plastik, weniger Abfall und weniger CO2.

Genauso ist es mit der Verkitschung von Bräuchen:

Je mehr „unechtes“ Programm du feierst, desto mehr findet seinen Platz im Veranstaltungskalender. Eine Tango-Bar in Buenos Aires mit ein paar Tischen, keiner englischsprechenden Person und einer nicht vorhandenen Speisekarte entführt dich in die echte Kultur des Landes – findest du mit ein bisschen Recherche überall.

Bist du auch der Meinung, dass zu viel Kitsch die Kultur verdrängt? Verrate es mir gerne in den Kommentaren.

PS: In La Paz findest du wunderbare Märkte – mit echter Handwerkskunst, ohne Zaubermittel. Ein Alpaka-Schlüsselanhänger schenkt meinem Schlüsselbund Bolivien-Flair und die kuschligen Handschuhe aus Alpaka-Wolle wärmen mich seither jeden Winter.

PPS: Ein Professor witzelte mal über volkstümlicher Musik. Da ist der Name Programm: Volk + dümmlich. Echte Volksmusik geht anders.

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